Denkansätze und Übungen für Trauernde

  

ich bin noch da

ich bin nur im Raum nebenan

ich kann euch sehen, ich kann euch hören

wie durch einen Schleier hindurch

unsere Seelen sind verbunden

schon immer und auf ewig

 

Die folgenden Übungen und Denkweisen können Dir helfen, Deine Trauer aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten oder kreativ damit umzugehen.

 

  1. Seelenzeit
    Such dir einen Ort, an dem du einfach Du selbst sein kannst, wo nichts anderes zählt, als der Moment und Du selbst. Es kann ein Stuhl sein am Fenster, eine Yogamatte im Schlafzimmer oder ein Raum für Dich. Richte es Dir dort so ein, wie Du Dich wohlfühlst. Bei mir ist es mein Meditationsraum (ein Teil meines Schlafzimmers). Dort habe ich ein Meditationskissen, eine große Kerze auf dem Boden, ein paar Pflanzen, viel Licht und im Regal neben mir ganz viele Fotos von Menschen, die mich in dieser und in der geistigen Welt begleiten.Nimm Dir jeden Tag Zeit als „Seelenzeit“, nur für Dich und frage Dich in dieser Zeit, was Deine Seele heute braucht. Vielleicht möchtest Du einfach nur zum Fenster raussehen und nichts tun, vielleicht weinen oder meditieren, vielleicht schreiben oder malen, vielleicht Dich hinlegen und ausruhen. Alles ist erlaubt an diesem Ort.
  2. Kraft-Kiste
    In diese Kiste kommt alles, was Dir seit dem Verlust Kraft gibt: Schreibe Dir ein gutes Gespräch mit einer Freundin auf, die Nummer einer Trauergruppe, einen Stein, der Dir gut tut oder auch Erlebnisse, bei denen Du Zeichen aus der geistigen Welt bekommen hast. Denn es gibt immer wieder gute Phasen, in denen Du spürst, dass Dein geliebter Verstorbener noch bei Dir ist oder in denen Du mit Deiner Trauer umgehen kannst. Und dann gibt es Phasen, wo nichts mehr geht und Du keinerlei Licht am Horizont siehst. Dann kannst Du Dir die „Kraft-Kiste“ hervorholen und Dir durchlesen, was Dir beim letzten Mal geholfen hat, aus dem Loch herauszukommen oder was Du schon Schönes seit dem Verlust gemacht oder erlebt hast. Auch kannst Du Träume oder Wünsche aufschreiben oder Ziele gern auch bildlich fixieren, damit Du wieder Kraft und Mut findest weiterzumachen.
  3. Wer bin ich ohne Dich?
    Frag Dich: Wer bist Du ohne die geliebte Person? Fühle, was der jeweils passende Satz in Dir auslöst oder ergänze das für Dich passende Wort:
    „Ich bin noch immer Mutter / Vater.“
    „Ich bin immer noch Tochter / Sohn.“
    „Ich bin noch immer Schwester / Bruder.“Denn nur weil eine Person die Seiten gewechselt hat (von dieser Welt in die geistige), heißt es nicht, dass sich Eure Verbindung und Eure Beziehung gelöst hat. Du wirst immer Mutter / Vater / Tochter / Sohn o.ä. bleiben, und diese Rolle in Dir möchte auch gelebt werden.Frage Dich, inwieweit Du diese Rolle heute leben kannst. Was kannst Du (nur mal heute) tun, um diese Rolle zu erfüllen? Was würde Deine verstorbene Person erfreuen? Wenn Dein verstorbenes Kind zum Beispiel immer Nuss-Eis mochte, kaufe Dir heute eine Kugel Nuss-Eis und iss sie zu Ehren Deines Kindes. Oder wenn Deine Mutter Tulpen als Blumen liebte, kaufe Dir heute einen Strauß davon. Oder tue etwas, was Du früher für die Person immer getan hast, auch wenn es heute für Dich keinen Sinn mehr ergibt. So gibst Du aber dem Seelenanteil in Dir, der die Rolle der Tochter, Mutter usw. übernommen hat, heute die Aufmerksamkeit zurück, welche er verloren hat. Du würdigst diese Rolle, die Du noch immer hast und ewig haben wirst, auch wenn Du sie nicht mehr erfüllen oder verkörpern musst und kannst.Mache es spielerisch und liebevoll, und wenn es Dich traurig macht, ist das völlig normal. Habe keine Angst vor Deiner Traurigkeit, sie möchte auch da sein dürfen. Und genauso ist es, falls Du merkst, dass Du Erleichterung oder Wut über die Rolle verspürst, die Du jahrelang eingenommen hast. Du darfst auch alle anderen Gefühle spüren und Dir klarmachen, dass die Rolle Dich auch belastet hat oder Du manchmal in dieser Rolle nicht Du selbst sein konntest. Auch das ist in Ordnung.
  4. Das Leben ist nicht fair
    Erwarte nicht, dass das Leben fair ist. Du kannst es nicht verstehen, Du kannst zwar in Dich hineinhören, meditieren, Dich mit Deinem Geistführer und Verstorbenen verbinden und einen Einblick davon bekommen, warum was wie geschieht, aber wirklich verstehen, warum manche Dinge einfach geschehen, können wir erst, wenn wir auch nach Hause zurückgekehrt sind.Erlaube Dir wütend zu sein, hilflos, haltlos. Vielleicht versuchen Menschen in Deinem Umkreis, Dir „Erklärungen“ oder nett gemeinte Dinge zum Tod zu sagen wie: „es war doch eine Erlösung“ oder „es war wenigstens ein schneller Tod“, „er hat bestimmt nicht gelitten“, „jetzt geht’s ihm bestimmt gut“, „das war bestimmt karmisch“ oder was ich leider auch schon von Klienten gehört habe: „er ist jetzt glücklich, seine Ruhe zu haben“, „er ist traurig, wenn Du trauerst“ und so weiter.Nimm an, dass es keine Erklärung gibt und dass es nur die Hilflosigkeit der Mitmenschen spiegelt. Die Zeit der geliebten Person auf dieser Erde ist zu Ende, sie ist zurück in unsere geistige Heimat gegangen, und es fühlt sich für die Hinterbliebenen einfach oft nicht fair an. Punkt.

 Teil 2 in neuem Artikel